Ute Lydia Ludwig
zu den Schattenschnitten
Auszug aus "Vom Farbkörper zum Schatten-Schnitt", in "Kunstszene Berlin", 2009
Die je nach Größe und Material mit dem Messer oder dem Laserschneider gefertigten Schatten-Schnitte radikalisieren die bis 2007 eingesetzte künstlerische Formensprache und verabschieden die Wirkung der Farbe. Im Computer bearbeitete Zeichnungen übersetzt die Künstlerin Schnitt für Schnitt in schwarzen Buchbinderkarton. Zwischen zwei Glasscheiben und auf einer Schattenfugenleiste befestigt schweben die zweidimensionalen Objekte im Bildraum. Verstärkt wird die so erreichte Tiefenwirkung durch die besondere Beschaffenheit der Pappe: ein schwarze und eine weiße Papierschicht auf Ober- und Unterseite umschließen einen cremefarbenen Kern.
Während diese Schatten-Schnitte eindeutig die Handschrift des von der Künstlerin geführten Messers tragen und materialbedingt kleinformatig angelegt sind, erlangen die in Forex und mit Lasercut-Verfahren großflächig umgesetzten Zeichnungen eine stark skulpturale Wirkung. An die Stelle der Messerspuren im Karton tritt die distanzierte Technik, was diese Schnitte ästhetisch neu definiert. Die genaue Übertragung der Linien und Kanten verweist aber weiterhin auf die Vorlage.
Thematisch bleibt Ludwig zunächst bei den computerbearbeiteten Zeichnungen der Plastiktüten. Binnenreliefs, Volumen und Linienführung der Fotos abstrahiert sie, bis höchst reduzierte und von organischen Schwüngen und zackigen Knicken gezeichnete schwarze Figuren entstehen. In der zweiten Serie sind es japanische Kriegerhelme, die in die entdinglichte Zweidimensionalität überführt werden. In einzelnen Arbeiten kombiniert die Künstlerin beide Strukturformationen.
„In japanischen Holzschnitten der Edo-Zeit fand ich ein Verhältnis von Flächigkeit und abstrahierter Räumlichkeit, von Wölbungen und Faltungen, Themen, die mich schon bei den Plastiktüten faszinierten. Kabuto (japanische Kriegerhelme) bilden die Vorlage für die zweite Serie der Schatten-Schnitte. Wie schon bei meinen früheren Arbeiten ist es nicht der Kontext und die Funktion, die mich interessieren, vielmehr ist es die Dynamik der sich windenden Formen. Dieser Aspekt beherrscht auch meine aktuellen Schnitte, denen Fotos von sich überlagernden Ästen zugrunde liegen.“
Der Schatten-Schnitt relativiert das Verhältnis von künstlerisch geschaffenem Körper und Leerstelle. Unwillkürlich tritt die geformte schwarze Fläche wirkungsästhetisch zurück, der freigelegte Bildraum oder die Wand, auf der der Schnitt schwebt, werden zur imaginären Gestalt. Die Hierarchie von Objekt und werktragendem Untergrund ist aufgehoben.
Ulrike Münter
o.T. Forex-Cut 90 x 94 cm 2008
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